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Interessant + Wissenswert


Schriftgut und Überliefertes

Dorfchronik

Der langjährige Lehrer und Schulleiter der Dorfschule von Mahlerten, Gustav Ullrich, veröffentliche Ende des 20. Jahrhunderts eine umfangreiche und mit zahlreichen Zeichnungen und schwarz-weiß Fotos versehene Dorfchronik unter dem Titel Mahlerten - ein heimatkundliches Dorfbuch und vermittelt damit allen Interessierten einen umfassenden Einblick in die Geschichte des Ortes bis zum Jahre 1992.

Quelle: Ullrich, Gustav; Mahlerten - ein heimatkundliches Dorfbuch; 1992

Reisezüge durch Mahlerten

Am 13.10.1646 reiste der Große Kurfürst durch Mahlerten nach Coppenbrügge.

Im Herbst 1660 nahm der Herrscher denselben Weg in Begleitung seiner Gemahlin, des Fürsten von Anhalt, hoher Offiziere und Hofbeamten, zweier Prinzen und weiterer 600 Personen. Entsprechend belastend waren die Anforderungen für die Vorspanndienste, die hier von der Amtsverwaltung Poppenburg zu organisieren waren. Die Bauern aus den Ortschaften der Reiseroute hatten Fleich [sic], Brot, Hafer, Brohain (Bier) bereit zu halten. Das Landvolk mußte auf landesherrlichen Befehl hin mit dem Gewehr in Reih' und Glied stehen.

1697 beehrte der russische Zar Peter der Große in Begleitung von 270 Personen die Umspannstelle Mahlerten. Er war auf dem Weg nach Holland.

Im August 1717 kehrte der Zar mit seiner Gemahlin aus Frankreich zurück. Er wechselte die Pferde in Mehle. Dazu mußte das Amt Poppenburg - auch Mahlerter Bauern - 50 Pferde stellen.

Im Sommer 1726 reiste der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. von Preußen in Begleitung des Kronprinzen nach Cleve (Preuß. Besitz!) ins Rheinland. Auf jeder Poststation mußten 74 Vorspann- und Reitpferde bereitgestellt werden. Am 10. Juli, morgens 10 Uhr, traf der König von Mahlerten hier in Mehle ein, wo man zu Mittag speiste. Mahlerten stellte damals 7 Pferde. Für jedes Pferd wurde 24 Groschen Gebühr sofort gezahlt.

Auch im Sommer 1738 nahm derselbe König den Weg durch unsere Heimat. Auf den Posthaltereien in Mahlerten, Mehle und Hemmendorf mußten je 128 Pferde zur Verfügung stehen. Die Entlohnung betrug pro Pferd und Meile (7,5km) 12 Groschen. Wartegeld wurde mit 9 Talern für jede Station gezahlt.

1740 reiste Friedrich II., der Große, von den Rheinlanden nach Berlin zurück. Wegen des zugestoßenen Fiebers verblieb er einen Tag in Coppenbrügge. Am 19. September passierte er Mahlerten, um Steuerwald zu erreichen.

1751 wurde der Alte Fritz in Mehle seitens der fürstbischöflich-hildesheimischen Räte feierlich begrüßt. Man lud ihn zu einem Imbiß ein, er aber dankte mit besonders gnädigster und freundlicher Miene und setzt nach geschwind Auswechslung der Pferde Dero weitere Reise nach Mahlerten zu in aller Eile fort.


Persönlichkeiten

Johannes Leunis

Etwa in der Mitte des Ortes zweigt eine Straße von der B1 in Richtung Kirche ab, die die Mahlertener Bürger nach einem ihrer berühmtesten Söhne benannt haben: die Leunisstraße.

Johannes Leunis wurde am 12. Juni 1802 in Mahlerten geboren. Gemeinsam mit anderen katholisch gläubigen Familien waren seine Vorfahren nach dem 30jährigen Krieg aus Flamland in das Hochstift Hildesheim eingewandert. Ihren Lebensunterhalt verdienten sie vor allem durch den Handel mit Metallwaren wie Kupferkesseln, Spaten, Sensen oder Messern.

Auch der Vater von Johannes Leunis, Ferdinand Leunis lebte als Mercator (Kaufmann) mit seiner Familie in Mahlerten und sein Erstgeborener sollte in seine Fußstapfen treten.

Schon früh erkannten seine Eltern, dass ihr Sohn über einen hellen Verstand verfügte und da die katholischen Schulen vor Ort nicht ihren Ansprüchen genügten, schickten sie Johannes zunächst in Schulen nach Gronau, Nordstemmen und Burgstemmen. Schon in meinem sechsten Jahre konnte ich fertig lesen, schreiben und soviel rechnen, dass meine Eltern mir manchen Tag den Verkauf unserer Ladenartikel selbständig anvertrauten, erzählte Leunis selbst. Gleichzeitig entwickelte er schon als Kind ein besonderes Interesse für die Naturwissenschaften.

Mit 13 Jahren wurde Johannes Leunis 1815 in das von Jesuiten geführte Bischöfliche Gymnasium Josephinum in Hildesheim eingeschult, wo damals freilich die mir als Kaufmann nötigen Wissenschaften garnicht oder sehr oberflächlich gelehrt wurden, wo namentlich in Naturgeschichte, die mich als Knaben so sehr angezogen hatte, gar nicht unterrichtet wurde.

Die Schulzeit am Gymnasium mit einer vorwiegend humanistischen Ausbildung führte schließlich dazu, dass Johannes sein ursprüngliches Berufsziel als Kaufmann aufgab. Nach Beendigung seiner Schulzeit studierte er Philosophie, Mathematik, Physik und Theologie, fand 1823 Aufnahme im Priesterseminar und übernahm ab 1824 eine Tätigkeit als Lehrer am Josephinum. Während er dort zu seiner Zeit als Schüler in seinen Neigungen zu den Naturwissenschaften keine Unterstützung von Seiten der Schule fand und er sich sein Wissen hierzu über Bücher und durch eigene Naturbeobachtungen und Exkursionen in der Umgebung Hildesheims hatte aneignen müssen, begann er nun mit dem Unterricht in naturwissenschaftlichen Fächern. 1824 ernannte ihn der Fürstbischof Franz Egon, wie damals üblich zum Professor, weil er dieses private Studium echt wissenschaftlich auch in den folgenden Jahren der philosophisch-theologischen Studien fortsetzte, [konnte er,] sobald ihm im Alter von 22 Jahren die Lehrtätigkeit als Klassenlehrer [in den unteren Klassen] übertragen wurde, es wagen, sogleich auch als Dozent in der Naturgeschichte aufzutreten. Damit wurde Leunis zum Vorreiter in einem Fach, das erst sechs Jahre später als Pflichtfach in allen höheren Schulen eingeführt wurde, und setzte sich in den Jahren seiner Lehrertätigkeit für wissenschaftliches und systematisches Lernen in diesem Fach auch in der Oberstufe ein.

1826 wurde er in Paderborn zum Priester geweiht, blieb aber auch nach seiner Wahl zum Domvikar im Jahre 1844 Lehrer am Josephinum. Er verfasste zahlreiche Abhandlungen und in den Jahren 1844 bis 52 ein dreibändiges Lehrwerk, die Synopsis der drei Naturreiche für den Unterricht an Schulen zu den Bereichen Zoologie, Botanik und Mineralogie, das er fortwährend aktualisierte und überarbeitete und stellte im Laufe seines Lebens eine außergewöhnlich große naturkundliche Sammlung sowie eine wissenschaftliche Bibliothek zusammen. Er gehörte verschiedenen naturkundlichen Vereinigungen an, war Präsident des Museumsvereins Hildesheim und den Brüdern Roemer kameradschaftlich verbunden. Seine Lehrbücher wurden noch bis zum Ende des 19. Jahrhundert im Unterricht eingesetzt und das Gymnasium Josephinum errichtete ihm zu Ehren ein Denkmal auf dem Pausenhof der Schule.

Nach seinem Tod im Jahre 1873 wurde er auf dem Annenfriedhof in Hildesheim beerdigt.

In Erinnerung an Johannes Leunis wurden die 1954 fertiggestellte Schule in Mahlerten und 1974 die schon erwähnte Dorfstraße nach ihm benannt. Im Lehrmittelschrank der heute als Dorfgemeinschaftshaus genutzten Leunisschule werden noch immer Lehrbücher von Johannes Leunis und weitere Unterlagen zu seiner Person aufbewahrt.

Auch im Kopfbalken des alten Fachwerkhauses Leunisstraße 12 fällt sein Name auf. Es handelt sich hierbei jedoch nicht um das Wohnhaus der Familie Leunis, sondern vielmehr um das seiner Schwester Johanne Maria und ihres Mannes Johann Christian Fischer, die den rechten Teil des Hauses anbauten, wie am Kopfbalken über der Tür dieses Gebäudeteils zu erkennen ist. Auffällig ist die für die damalige Zeit recht ungewöhnliche Geschosshöhe des Hauses, denn die Menschen waren zu dieser Zeit etwa 10 Zentimeter kleiner als heute. Möglicherweise hat der recht gut situierte Kaufmann Ferdinand Leunis Schwiegersohn und Tochter beim Bau des Hauses unterstützt. Nach der Bauhöhe der Geschosse beurteilt, müssen die Bauherren auch einigermaßen vermögend gewesen sein, den 1843 waren auch hier keine wirtschaftlich guten Zeiten und Eichenholz hatte bestimmt seinen Preis.

Eine Büste auf dem Gelände des Gymnasium Josephinum in Hildesheim erinnert noch heute an ihn. Zu erreichen ist sie vom Hückedahl aus, über eine Treppe zwischen Schule und Dommuseum.

Quelle: Selk, Jürgen und Strüber, Hermann; Geistlicher, Lehrer, Naturforscher; Olms Verlag Hildesheim; 2002


Spuren von historischen Produktionsstätten

Kornbrennerei Rühmekorf

Zu finden: Auf dem Hof Wittenberg in der Leunisstraße 2

Über 150 Jahre lang wurde in der Dampf-Kornbranntwein-Brennerei Korn gebrannt. Der Landwirt Johann Heinrich Rühmkorf hatte im Jahr 1818 die Linzenz zur Einrichtung einer Kornbrennerei erworben. Neben der Landwirtschaft trug die Brennerei wesentlich zur Vergrößerung des Hofbesitzes bei und der Betrieb blieb zeitlebens in Familienbesitz. In den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde die Dampfmaschine durch Elektromotoren ersetzt, die Maschine ist aber bis heute erhalten geblieben. Bis zum Jahr 1971 wurde etwa 1/5 des beinahe 100%en Rohprodukts im Betrieb selbst veredelt u.a. als Mahlerter Cabinet oder verschiedene Klare oder Liköre unter dem Werbeslogan Hast du Freude, Kummer, Zorn, trink stets Mahlerter Edelkorn angeboten. Die Veredelung und Vermarktung musste wegen zu hoher Betriebskosten eingestellt werden.

Der landwirtschaftliche Betrieb ist bis heute im Besitz der Familie. Der heutige Betreiber Jan Wittenberg produziert und vertreibt in seinem Bioland-Betrieb, der napus GmbH, wertvolle Speiseöle und Speisefette.

Waschhaus

Zu finden: Hildesheimer Straße/B1

Noch heute steht an der Hildesheimer Straße ein kleines Waschhaus (zu erkennen an dem Schild eines dort später ansässigen Elektobetriebes). Es war mit drei Waschmaschinen ausgerüstet und hier konnten die Mahlertener Bürger von 1957 -1964 an drei Tagen der Woche ihre Wäsche waschen lassen.


Wirtschaftsbetriebe


Magische Orte

Conradi-Turm

Zu finden: Im Waldgebiet zwischen Mahlerten und Heyersum

Anmerkung: Der Turm ist jederzeit zu Fuß zu erreichen. Er ist allerdings nicht zu besteigen und daher nicht als Aussichtsturm zu bezeichnen.

Der Conradi-Turm ist zwischen 1850 bis 1860 auf Initiative von Georg Friedrich Ludwig Conradi entstanden.

Conradi, geb. 1799, kam im Alter von 50 Jahren nach Mahlerten. Er hatte Religionswissenschaften studiert, war aber – offenbar wegen gestörter Zurechnungsfähigkeit – mit keinem kirchlichen Amt betraut worden. (Ullrich, S. 59, s.u.) Überlieferungen zufolge soll Conradi den Turm mit eigenen Händen gemauert haben, was Gustav Ullrich im Heimatkundlichen Dorfbuch bezweifelt: … dann müsste er fachmännische Kenntnisse besessen haben … Betrachtet man die harmonisch abgestufte Verjüngung des Bauwerks mit dem Wandputz und den vorstehenden Bruchstein-Umlaufkanten zwischen den Etagen, so mag man kaum glauben, daß der Turm von einem gemütsgestörten Menschen gebaut wurde. (Ullrich, S. 61)

Conradi nutze den Turm als Kultstätte, wo er seinen Eichen - Geistern nahe sein konnte. (Ullrich, S. 61) Darüber hinaus hatte er auch geplant, eine Kapelle in der Nähe des Turms zu errichten. Der damals verantwortliche Pastor Meyer berichtet dazu: Wenn nun Conradi von einer Bonifatius – Capelle, die er auch Nepomucks-Capelle nennt, spricht, so ist das ein Haufen Steine, welche er in seiner Kopfbedeckung oder in einem kleinen Körbchen, unweit eines von ihm errichteten Thurmes im Mahlertener Holze, zusammengetragen hat und wohin er mit Fahnen und Glockenspiel – gleich den Catholiken – wallfahrtet und den dort versammelten Kindern Weißbrot und dergl. spendet. (Meyer, S.60) Dieser Steinhaufen ist noch bis heute zu erkennen.

Trotz seiner Wahnideen (Meyer, S.60) wurde Conradi als Sonderling in Mahlerten akzeptiert und geduldet. Er starb 1889 im Alter von 90 Jahren und wurde auf dem Friedhof in Mahlerten beerdigt. Sein Turm blieb über viele Jahre Treffpunkt für die Mahlertener Jugend. 1987 setzten sich die Dorfbewohner für die Restaurierung des Turmes ein und retteten das liebens- und erhaltenswerte Stück Heimat (Ullrich, S.61) in Eigenleistung vor dem Verfall.

Der Conradi-Turm ist auf Heimat- und Wanderkarten verzeichnet und Orientierungspunkt für Spaziergänger. Von Mahlerten aus erreicht man ihn über die Straße Am Kastenborn am südlichen Ortsausgang und folgt dieser bis zur L480. Dieser nach Norden Richtung Heyersum folgen und nach etwa 200m queren. Dem Weg auf der gegenüberliegenden Straßenseite in Richtung Lehmkuhle folgen und nach circa 100 Metern in den Waldweg abbiegen. Von hier aus erreicht man den Conradi–Turm in nordöstlicher Richtung nach etwa 150 Metern.

Quelle: Ullrich, Gustav; Mahlerten – Ein heimatkundliches Dorfbuch; 1992